Liebe Freunde,

hier zwei kurze Interviews, die ich zu den deutsch-japanischen Regierungskonsultationen gegeben habe:

Und hier aus der heutigen FAZ:

Der Weg ist das Ziel
Kanzler Scholz besucht mit sechs Ministern Japan. So gab es das noch nie. Berlin umgarnt Tokio als strategischen Partner. Das hat vor allem mit dem großen Nachbarn China zu tun.
Von Eckart Lohse und Patrick Welter, Tokio

Der Flug dauerte am Ende länger als der Aufenthalt. Schon am Sonntagnachmittag, nach nicht einmal 24 Stunden in Tokio, war der Bundeskanzler wieder zurück in Berlin. In der Luft verbrachte er mehr als 26 Stunden. Aber vielleicht gehört auch das zu dem Signal, das Olaf Scholz (SPD) aussenden wollte: Japan ist uns so wichtig, dass wir diese Strapaze nicht scheuen. Als der Kanzler am frühen Samstagnachmittag mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida und einer kleinen Delegation beisammensaß, nannte er die Regierungskonsultationen, zu denen er mit einem Teil des Kabinetts nach Tokio gereist war, ein „sicheres Zeichen der guten Kooperation“ zwischen beiden Ländern. Später, bei einer Pressekonferenz mit Kishida, bezeichnete Scholz Japan als einen „zentralen Wertepartner“ für Deutschland.

Dass der Besuch überhaupt stattfand, war letztlich wichtiger als die Inhalte. Man verabschiedete zwar ein 25 Punkte umfassendes Abschlussdokument, aber das enthielt im Wesentlichen Absichtserklärungen für die Zusammenarbeit. Schwerpunkt war die wirtschaftliche Sicherheit – ein Thema, das für die beiden rohstoffarmen und exportabhängigen Länder mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine noch mehr Bedeutung bekommen hat.

Die Palette der einzelnen Themen ist breit, von der Sicherung seltener Mineralien und Rohstoffe über sichere Lieferketten bis hin zum Schutz von Unternehmen und Institutionen vor Cyberangriffen. „In einer Welt im Umbruch geht es darum, die Wirtschaftspolitik sicherer zu machen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor seinem Dialog mit seinem Amtskollegen Yasutoshi Nishimura. Japan bietet da viel Anschauungsmaterial. Das Land verfolgt in Sachen wirtschaftlicher Sicherheit eine breit angelegte Strategie, die von gesamtwirtschaftlichen Fragen über die Energiesicherheit bis zu konkreten Anleitungen für Betriebe zum Schutz der Daten- und Informationssysteme reicht. In der Zusammenarbeit der beiden Länder aber fehlt es hier noch an konkreten Ergebnissen. Es geht bislang vor allem um das Lernen voneinander.

Habeck hatte konkrete Fortschritte und Kooperation erhofft, damit Deutschland und Japan beim Bezug von Mineralien weniger abhängig von Lieferungen aus China werden. Er sprach von der gemeinsamen Erschließung neuer Quellen, Vorkommen und Minen. Nun sollen die deutsche Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe und ihr japanisches Gegenstück stärker kooperieren. Hinsichtlich der gemeinsamen Exploration aber sprach der Kanzler nur von einer „gemeinsamen Blickrichtung und Perspektive“.

Konkreter ging es im Außenministerium zu. Annalena Baerbock kündigte an, dass eine direkte verschlüsselte Telefonleitung zwischen ihrem und dem Büro ihres Amtskollegen Yoshimasa Hayashi installiert werde. „Das ist das tiefste technische Signal der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens“, sagte Baerbock.

Entscheidend war die Botschaft: Hier haken sich zwei wirtschaftlich sehr starke und in ihren demokratischen Werten ähnliche Mittelmächte unter. Die gemeinsamen Wertvorstellungen führen auch dazu, dass beide Länder den „unrechtmäßigen, unprovozierten und durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg gegen die Ukraine“ verurteilen, wie es in der Erklärung steht. Man versichert einander, die Ukraine so lange zu unterstützen und die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, wie es erforderlich sei.

Kurz vor dem Treffen in Tokio hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Scholz und Kishida wurden gefragt, was sie davon hielten. Der Internationale Strafgerichtshof sei „die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen“, sagte der Kanzler. Niemand stehe über Recht und Gesetz. Kishida äußerte sich für japanische Verhältnisse deutlich. Der Haftbefehl sei ein erster konkreter Schritt. Die Ermittlungen würden noch fortgesetzt, man werde weitere Ermittlungen des Strafgerichtshofs „mit großem Interesse“ verfolgen.

Die Rückkehr des Krieges in Europa ist ein Argument dafür, die militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan zu vertiefen. Mit Russland und China hat Japan gerade jene Mächte als direkte Nachbarn, die in der Ukraine und in Ostasien ihren Expansionsdrang beweisen. Japan weiß es deshalb zu schätzen, wenn neben den Vereinigten Staaten auch europäische Länder demonstrativ an seiner Seite stehen. Für Deutschland heißt das bislang vor allem, Flagge zu zeigen. Marine wird im kommenden Jahr – wie schon 2021 – wieder mit einem Schiff im Pazifik Präsenz zeigen und dabei auch einen japanischen Hafen anlaufen. Als Teil der Ausfahrt nach Asien wird das deutsche Kriegsschiff 2024 sich abermals an der Überwachung der Handelssanktionen gegen Nordkorea beteiligen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ließ offen, ob die Deutschen im kommenden Jahr die Straße von Taiwan passieren werden. 2021 hatte die Fregatte Bayern aus Rücksicht auf China diesen Kurs nicht genommen.

Noch nicht endgültig spruchreif sind Pläne, dass im kommenden Jahr wie schon 2022 auch wieder die Luftwaffe mit Eurofightern und Versorgungsflugzeugen Japan besucht. Die Überlegungen gehen dahin, gemeinsam mit europäischen Partnern nach Japan zu fliegen, um dort – und auch in Australien – Manöver abzuhalten. Pistorius nahm aus Tokio eine Einladung der Japaner mit, dass auch das Heer das Land besuchen solle. Verhandlungen über einen Rechtsrahmen, um in den Worten von Pistorius „gemeinsame Aktivitäten“ mit Japan zu ermöglichen, stehen bevor.

Ganz am Anfang sind Gespräche über eine Zusammenarbeit in der Rüstung. Als ein mögliches Kooperationsfeld verwies Pistorius auf die Kompetenz der maritimen Nation Japans im Schiff- und U-Boot-Bau. Auf die Frage, ob Japan Deutschland mit Munitionslieferungen helfen könne, antwortete der Verteidigungsminister kryptisch. Am Rande habe das Thema eine Rolle gespielt, aber Deutschland habe „mehrere Eisen im Feuer“. Japan hatte vor einigen Jahren zwar den Rüstungsexport erleichtert, liefert in Kriegsgebiete aber nur nicht todbringendes Material. In die Ukraine schickt Japan bislang Helme und Schutzwesten, aber auch Minenräumgerät.

Der Bundeskanzler hatte noch sechs seiner Minister mit nach Japan genommen, fein austariert nach Parteifarben: die Sozialdemokraten Nancy Faeser und Pistorius, zuständig für Inneres und Verteidigung, Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck von den Grünen sowie die FDP-Politiker Christian Lindner (Finanzen) und Volker Wissing (Verkehr). Fast hätte es sogar mit der Parität geklappt. Regierungskonsultationen dieser Art pflegt Deutschland mit einigen Ländern. Für Japan, wo die Minister als Verwalter häufig rotieren, ist es eine völlig neue Erfahrung. Die Symbolik aber bewegt auch in Tokio Berge.

Schon als Scholz zu Beginn seiner Kanzlerschaft Japan vor China besuchte, löste das Aufmerksamkeit aus. Seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) hatte einen Schwerpunkt ihrer außenpolitischen Aktivitäten auf China gelegt; sie reiste fast jedes Jahr nach Peking. Scholz war dagegen schon im vorigen April nach Tokio geflogen. Erst im November 2022 reiste er nach Peking. Seine Außenministerin kritisierte den Trip damals. Japan hat derzeit die G-7-Präsidentschaft inne. Bis zum Gipfeltreffen im Mai in Hiroshima stehen viele Ministertreffen im G-7-Rahmen an. Baerbock war im vorigen Sommer in Tokio, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im November. Die Frequenz wird in Tokio als sehr hoch wahrgenommen.

Streng genommen arbeiteten Scholz und seine sechs Minister mit ihrem Tagesausflug nach Tokio den Koalitionsvertrag ab. „Mit Japan wollen wir regelmäßige Regierungskonsultationen beginnen“, legten sich die Ampelpartner schon Monate vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine in der Vereinbarung fest. Das hatte also noch gar nichts mit der Reaktion auf die weltweiten Erschütterungen durch Putins Krieg zu tun, sondern folgte dem Ziel, weiter an den Indopazifik-Strategien Deutschlands und der Europäischen Union zu bauen. Japan wird im Koalitionsvertrag als „Wertepartner“ in einer Reihe mit Australien, Südkorea und Neuseeland genannt. Schon als Scholz im April vorigen Jahres nach Japan reiste, spielte die Energiefrage eine große Rolle – vor allem das Ziel, gemeinsam an einem internationalen Wasserstoffmarkt zu arbeiten. Damals besuchte der Kanzler am Ende der Reise immerhin noch ein Unternehmen der Wasserstoffbranche. Dieses Mal reiste er gleich nach den politischen Gesprächen zurück nach Berlin.





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