Liebe Freunde,

der Bundeskanzler besucht nun die G7-Staaten, um die gemeinsame Arbeit dieses Forums vorzubereiten, in dem Deutschland den derzeit Vorsitz hat. Es wird diesen Vorsitz zu Neujahr 2023 an Japan abgeben. Deshalb ist die Abstimmung zwischen unseren beiden Ländern besonders wichtig. Das Handelsblatt schreibt dazu:

Scholz in Tokio: Deutschland und Japan setzen auf eine stärkere strategische Zusammenarbeit
Früher hofierten deutsche Kanzler eher China und verwiesen Japan auf den zweiten Platz. Scholz dagegen nimmt gleich mit seiner ersten Asienreise eine Akzentverschiebung vor.
von Martin Kölling, Handelsblatt-Redakteur und Korrespondent in Tokio.
28.04.2022 Update: 28.04.2022 – 17:21 Uhr

Tokio Die Straßenränder in Tokios Regierungsviertel waren mit deutschen und japanischen Fähnchen geschmückt. Mit dieser gastfreundlichen Geste zeigte Japans Regierungschef Fumio Kishida, dass er an diesem Donnerstag hohen Besuch bekam: Bundeskanzler Olaf Scholz kam in die Stadt, um ein Zeichen für die wachsende Bedeutung der deutsch-japanischen Beziehungen zu setzen.

Er wolle ein klares Signal geben, dass Deutschland und die Europäische Union die Lage im Indopazifik nicht aus den Augen verlören, erklärte Scholz in einer Pressekonferenz mit seinem Gastgeber Kishida. „Es ist kein Zufall, dass mich meine erste Reise als Bundeskanzler in diese Weltregion heute hierher, nach Tokio, führt“, hatte Scholz schon zuvor in einer Rede auf dem deutsch-japanischen Wirtschaftsdialog erklärt.

Der Kanzler setzt bewusst Akzente. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt rief er Kishida als ersten Regierungschef im indo-pazifischen Raum an – nicht etwa China, das Angela Merkel deutlich öfter besucht hatte als Japan. Das jetzige Treffen erbrachte nun, dass die beiden exportorientierten Nationen stärker gemeinsam gegen Aggressoren und für gemeinsame Werte und Freihandel auftreten wollen.

Die beiden Regierungschefs vereinbarten nicht nur eine baldige zweite Runde der noch jungen bilateralen Zwei-plus-zwei-Verhandlungen. In diesen Treffen sprechen sich die Außen- und Verteidigungsminister über gemeinsame Vorgehen ab. Japan stimmte auch erstmals von Deutschland vorgeschlagenen Regierungskonsultationen zu, die Berlin bisher in Asien nur mit Indien und China durchgeführt hat.

Bei diesen treffen sich die Regierungschefs mit mehreren ihrer Minister, um in Schlüsselfragen rasche Fortschritte zu erzielen. Die Liste der Themen für eine Zusammenarbeit ist lang: die Sicherung von Lieferketten, Handelsfragen, die Entwicklung von Umwelttechnologien und – was Scholz besonders betonte – einer Wasserstoffwirtschaft. Die ist auch für Japan interessant. „Wir schätzen Deutschland als unverzichtbaren strategischen Partner“, betonte Kishida.

Gegenüber Russland setzen beide Länder auf eine geschlossene Front

Für seine erste Dienstreise nach Asien nahm Scholz sogar scharfe Kritik vom Unionsfranktionschef Friedrich Merz in Kauf. Dass Scholz mitten in der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine nach Japan aufbreche, habe die Union „mit äußerstem Befremden zur Kenntnis genommen“, hatte Merz kritisiert. Die CDU halte das für unpassend, so der Oppositionspolitiker. „Wir haben wichtige Themen im Deutschen Bundestag zu besprechen.“

Doch genau wegen dieser Themen, die sich vor allem um den Ukrainekrieg drehen, hatte Scholz die Reise durchgeführt. Immerhin ist Japan wie Deutschland ein Mitglied der G7-Staaten, und in Asien der Motor von harten Sanktionen gegen Russland und von militärischer und humanitärer Hilfe für die Ukraine. Japan hat sogar erstmals militärische Ausrüstung in ein Kriegsgebiet geliefert, ein klarer Bruch mit seiner bisherigen pazifistischen Nachkriegstradition.

Die Mitglieder der G7 würden ihr Vorgehen fast täglich abstimmen, erklärte Scholz, der derzeit den Vorsitz im Klub der sieben größten traditionellen Industriestaaten führt. Und Kishida wird im kommenden Jahr sein Nachfolger sein. „Daher war es mir auch wichtig, vor dem Gipfel in Schloss Elmau persönlich nach Japan zu kommen“, erklärte Scholz. In dem bayrischen Schloss findet im Juli der nächste G7-Gipfel statt.

Japan sorgt sich um ein Übergreifen der Krise auf Asien

Scholz kann davon ausgehen, dass Japan den Ukraine-Krieg mit ähnlichem Krisengefühl verfolgen wird wie Deutschland. Zum einen teilt Japan die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen, besonders Kohle und Gas. Zum anderen geht Japan der Krieg an Russlands ferner Westfront ganz nah, näher als es im Westen oft bemerkt wird.

Im Gegensatz zu Deutschland ist Asiens älteste Industrienation ein direkter Nachbar Russlands. Zudem streiten sich beide Länder seit dem Ende des zweiten Weltkriegs um die vier von Russland besetzten südlichen Kurileninseln. Sie gehören zu einer Inselkette, die sich wie ein Riegel vor Sibiriens Ostküste von der japanischen Insel Hokkaido zur russischen Halbinsel Kamtschatka zieht. Gleichzeitig sieht sich Japan auch noch von Nordkorea und China bedroht.

Dies hat zu einer harten Wende in Japans Russland-Politik geführt. Als Russland 2014 die Ukraine das erste mal angriff, war Japan noch ein Nachzügler bei Sanktionen, nun ist es ein Vorreiter. Die einseitige Veränderung des Status Quo beträfe auch den indo-pazifischen Raum und Ostasien, warnte Kishida, ohne China namentlich zu erwähnen. „Wir müssen ein klares Zeichen setzen, dass Veränderung mit Gewalt unglaublich hohe Kosten verursachen würde.“ Daher sei es wichtig, dass die G7 eine harte Haltung einnehmen.

Auch die japanische Wirtschaft ist bereits alarmiert, dass das russische Beispiel in Asien Schule machen könnte. Toshiaki Higashihara, der Chef des Technikkonzerns Hitachi und stellvertretender Vorsitzender des Keidanren, der japanischen Unternehmensvereinigung, fragte auf dem deutsch-japanischen Wirtschaftsdialog: „Was passiert, wenn dieser Krieg länger dauert?“ Was passiere gar, wenn ein ein ähnlicher Fall in Asien eintrete. „Ich habe den Eindruck, dass wir Maßnahmen zu diesen Themen überlegen müssen“, stellte er im Beisein von Scholz fest.

Das große Thema heißt Wasserstoff

Gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft will Scholz bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft, einer Neuordnung der Lieferketten und „der Erhaltung und Stärkung“ der globalen Handelsordnung kooperieren. Die Liste des Japaners deckte sich mit der des deutschen Regierungschefs. In allen Fragen kämen „Japan und Deutschland eine Führungsrolle zu“, sagte Scholz.

Die Pandemie habe die Verletzbarkeit der Lieferketten gezeigt. „Wir müssen aufpassen, dass daraus kein Decoupling wird, kein My-country-first, kein Protektionismus. Denn eine Deglobalisierung sei keine Lösung für freie Handelsnationen wie Japan und Deutschland.

Er sieht Japan aber auch wichtigen Wirtschaftspartner bei Schlüsseltechnologien, namentlich der Digitalisierung, 5G-Netzen, Umwelttechnologien und der Wasserstoffwirtschaft. „Das Potenzial für deutsch-japanische Kooperation ist auf allen diesen Feldern riesig“, sagte Scholz.

Der Aufbau einer Wasserstofflieferkette liegt ihm dabei besonders am Herzen. Vor seinem Abflug am Freitagmittag besucht er eine japanische Wasserstoffraffinerie. Sein Fazit: „Die geografische Distanz zwischen Japan und Deutschland mag groß sein, dennoch haben unsere Länder selten zuvor so eng zusammengestanden wie gerade jetzt.“

 





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