Die Olympischen Spiele von Tokio, die zweiten nach 1964, sind Geschichte – unter besonderen Corona-Bedingungen und mit einem Jahr Verspätung kämpften rund 11.000 Sportler unter den fünf Ringen um Edelmetall. Es waren besondere Olympische Spiele – in einem Land, das anfangs mehrheitlich gegen die Spiele war, sich aber mit jeder japanischen Medaille mehr erfreute an dem Event, das allerdings ohne Zuschauer über die Bühne gehen musste. Bis Anfang Juli hatten jene Japaner, die sich auf die Spiele gefreut hatten, gehofft, dass zumindest Einheimische bei Olympia dabei sein könnten, nachdem im März schon bekanntgegeben wurde, dass internationale Gäste nicht einreisen könnten.

Mein „Tokio 2020“ – ich war Medienchef des Olympischen Handballturniers im altehrwürdigen Yoyogi National Stadium direkt am gleichnamigen Yoyogi-Park – begann in einem rund acht Quadratmeter großen Hotelzimmer und zwei Wochen Quarantäne nach vielen Formularen schon in der Heimat und zahllosen Corona-Apps auf dem Smartphone. Nach zwei Wochen durfte ich dann dafür wie ein ganz normaler Japaner mit der U-Bahn fahren, in Restaurants, Einkaufszentren oder Museen und Parks gehen. Die Journalisten und speziell die Athleten haben hingegen gar nicht nichts oder kaum etwas von Tokio sehen können. Die Sportler durften das Olympische Dorf in der Nähe von Odaiba nur zu Training und Wettkämpfen verlassen, spätestens zwei Tage nach Wettkampfende mussten sie abreisen. Sie kannten das Postkartenmotiv der fünf Ringe vor der Rainbow-Bridge nur aus dem Fernsehen oder großer Entfernung.
Die Menschen in Japan waren verunsichert, täglich stiegen schon im Vorfeld der Olympischen Spiele die Corona-Fallzahlen, aber die große Vielzahl auch der späteren Fälle hatte nichts mit Olympia zu tun. Medial groß ausgeschlachtet wurden die ersten positiven Fälle von einreisenden Sportlern und Trainer – doch was als schrecklich tituliert wurde, zeigte doch eigentlich nur dass das sehr engmaschige Testsystem der Japaner funktionierte.

Als am Ende der Spiele fast 5000 Fälle (die Mehrzahl von Reiserückkehrern und aus dem familiären Umfeld) täglich gemeldet wurden, sahen auch die Olympiaskeptiker ein, dass die Lage auch ohne die Spiele nicht anders gewesen wäre. Schließlich galt überall Maskenpflicht, auch wenn die Regierung immer nur von einem „Soll“, keinem „Muss“ sprach – genau wie bei den Schließungen von Kneipen, Bars und Restaurants, dem Ausschankverbot für Alkohol und der höflich formulierten Bitte auf Reisen in andere Provinzen zu verzichten. Verglichen mit Deutschland und Trier war das kein Lockdown, aber eine Empfehlung. Wer an Bahnhöfen wie Shinjuku oder Shibuya die vielen Betrunkenen sah, die trotz aller Verbote unterwegs waren, versteht die Maßnahmen der Regierung.
Und es gab eine negative Einstellung gegenüber allem Internationalem: In den U-Bahnen, auf der Straße oder den Einkaufszentren machten die Menschen einen Bogen um den Nicht-Japaner, generell wurde eine große Skepsis deutlich gegenüber allen, die bei Olympia arbeiteten, auch den vielen Japanern. Die meisten Helfer und Mitarbeiter der Olympischen Spiele trugen daher normale Kleidung bei der Anreise in der Bahn, und zog sich erst in den Hallen, Stadien und anderen Wettkampforten um. Es gab wohl vereinzelte Vorfälle von radikalen Olympiagegnern – mir fiel die Gegenstimmung auf, aber nicht in dieser extremen Form. Ich fühlte mich nicht unsicher, es gab auch keine Vorfälle – dafür sind die Japaner zu gut und respektvoll erzogen worden.

Aber selbst unter meinen Kollegen bei den Olympischen Spielen gab es die Befürchtung, dass Olympia zum großen Coronatreiber werden würde. Aber: in keinem anderen Land außer Japan wäre aufgrund dieser Einstellung der Kampf gegen Corona so intensiv in den Wettkampfstätten umgesetzt worden, da gab es keinen Bruder Leichtfuß, kein Laissez-faire, strikt und kompromisslos sorgten die Japaner zum Beispiel immer dafür, dass alle Abstandsregeln auch eingehalten wurden. Vielen westlichen Athleten und Journalisten ging das schon zu weit, sie waren genervt – aber wenn man ihnen erklärte, dass es ja im Endeffekt auch für ihre Gesundheit sei, waren die meisten einsichtig.
Ich persönlich ziehe den Hut vor den Japanern, der Bevölkerung, der Regierung, den Organisatoren, dass sie die Olympischen Spiele gegen alle Widrigkeiten organisiert haben. Es hat die Steuerzahler viele Milliarden Yen gekostet, es kostet die Regierung Suga vielleicht ihre Mehrheit bei der nächsten Wahl, aber alle zusammen haben der Welt gezeigt, dass man auch in Pandemiezeiten eine solche Großveranstaltung organisieren kann – unter ganz besonderen Bedingungen, gegen internationale Kritik und viele Widerstände im Land.
Die Spiele, die Sportler hätten Zuschauer verdient gehabt, die tollen Fernsehbilder und die digitalen Botschaften in die Welt alleine konnten nicht das Olympiagefühl vermitteln. Japan hat alles gegeben für tolle und sichere Spiele – vielleicht wären etwas weniger Furcht und ein klein bisschen mehr Lockerheit noch zielführender gewesen, aber auch so sage ich: Danke, Tokio, für ein tolles Erlebnis! Danke Japan für diese besonderen Olympischen Spiele!

Ich durfte mit tollen Menschen zusammenarbeiten, habe mich anfangs mit einigen Mentalitätsdingen und der Eigenart, alles sowieso schon Komplizierte nochmals zu verkomplizieren nicht so recht anfreunden, am Ende aber hatten wir ein tolles Team, das interkulturell viel voneinander lernen konnte. Leider konnten die Japaner ihre Gastfreundschaft nicht so ausspielen, wie es viele sicher gewollt hätten. Das große Ziel, mittel- und langfristig den Tourismus in Tokio durch Olympiabesucher deutlich nach vorne zu bringen und zu einem noch wichtigeren wirtschaftlichen Standbein zu machen scheiterte mit der Entscheidung, keine ausländischen Besucher ins Land zu lassen. Aber es bleibt zu hoffen, dass viele, die Tickets für Tokio 2020 hatten, den Besuch einfach nur verschieben, und die Stadt und das Land auch ohne Olympia bereisen und entdecken wollen.

Ich nehme viele positive Erfahrungen und Erinnerungen aus meinem zweiten Japan-Aufenthalt mit, irgendwann, wenn es wieder erlaubt ist, werde ich sicher nochmals zurückkehren – und mehr über Land und Leute erfahren.

Björn Pazen, Redakteur beim Trierischen Volksfreund
Medienchef des Olympischen Handballturniers bei Tokyo 2020
Freund der DJG Trier





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