„Es Mannsbuida seits doch alle gleich, zu nix zum braucha“, schimpft die Gattin der Huberwirts ihren Gatten aus, der mitten in der Nacht seiner niederkommenden Tochter im Krankenhaus zu Hilfe eilen will. Sie schimpft, weil ihr Mann sich, wie auch schon dessen Vater, bei der Geburt seiner Tochter verzupft hat. Irritierend nur, dass die Wirtsleute Japaner sind und sich die Szene in ihrem Schlafzimmer abspielt, das mit seiner Bambusmattenstrenge so gar nichts vom geranienbekränzten Federbettenklischee hat. Bild Japan, Ton Bayern: Das Gezeter aus japanischem Schauspielermund ist die synchronisierte Fassung der japanischen Erfolgsserie „Hanbun, Aoi“, die in den Achtzigerjahren spielt und von einer Tokioter Familie handelt, die ein Gasthaus betreibt.
„Die Vroni aus Kawasaki“ ist von nun an auf der Plattform Servus TV On zu sehen, frei empfangbar sind die zehn je fünfzehn Minuten langen Folgen vom 14. Mai an. Die Synchronarbeit war eine Riesengaudi. Das wurde bei der Vorstellung der Serie in München deutlich, bei der schon allein deswegen für Heiterkeit gesorgt war, weil Gerhard Polt zugegen war. Er versteht sich wie kein Zweiter auf Heiterkeitserzeugung, indem er exakt nichts tut. Auf die Frage, ob er süßes oder gesalzenes Popcorn wolle, sagte Polt: „Salzig. Reines Natursalz. Oder tibetisch. Oder eine gesalzene Rechnung.“
Und schon war das Eis gebrochen für eine wahrlich seltsame Fernsehunternehmung, die Polts Sohn Martin als Produzent angestoßen hat. Bei einem Japanaufenthalt sah er im Hotel die Daily Soap „Hanbun, Aoi“ von 2018, die in Japan in 156 Folgen ausgestrahlt wurde. Da er kein Wort verstand, habe er sich überlegt, wie sich das wohl auf Bairisch anhören würde? Bei der Übersetzung habe sich herausgestellt, dass das Japanische viel mehr Wörter verwende. Da üblicherweise nur hochsprachlich synchronisiert wird, ist die Serie in mehrfacher Hinsicht ein Experiment. Ob das Nordlichter verstehen werden? Immerhin reagieren Ärztin und Krankenschwestern in der Geburtsklinik in astreinem Sächsisch, wenn die Gebärende sagt „Otto, i mag nimmer, so hab i mir des ned vorgstellt! Mi zreißts glei!“
Im Aufgebot ist neben Polt, der den Opa Huber und mehrere Nebenrollen spricht, dessen langjährige Fernsehpartnerin Gisela Schneeberger als Maria Huber. Der Österreicher Michael Ostrowski spricht den Kindsvater Otto Huber, Eva-Maria Reichert die Vroni Huber. In weiteren Sprecherrollen Benedikt Weber, Paul Sedlmeir, Servus-TV-Intendant Ferdinand Wegscheider, Christiane Blumhoff und Christian Tramitz.
Polt wies auf das Problem der Lippensynchronisation hin, die etwa das Englische „I hate“ im Deutschen salonfähig gemacht habe. „Früher hätte man gesagt ,Ich mag keinen Griesbrei‘, heute heißt es ,Ich hasse Griesbrei‘.“ Man habe den japanischen Darstellern sozusagen „Unterstellungen“ in den Mund gelegt, ohne auf Klamauk oder „Verarschung“ abzuzielen. Tatsächlich entsteht ein eigentümlicher Reiz aus dem kulturellen Kontrastprogramm. Emotionen kann man eben nachvollziehen, auch wenn sie ein japanischer Saupreiß, ein in Bayern durchaus geläufiges Etikett für Asiaten, zulässt.
Vielleicht funktioniert der Kulturtransfer ja auch in die andere Richtung? Das bayerische Fernsehen hätte mit „Dahoam is dahoam“ eine Seifenoper im Programm, aktuell steht sie bei Folge 2940. Wie Martin Polts Idee in Japan ankommt, darüber ist noch nichts bekannt. Angst vor Shitstorms wegen Verstößen gegen irgendwelche politischen Korrektheiten hat Vater Gerhard Polt nicht: „Man kann minütlich auf einen Shitstorm warten, ganz egal, was man macht oder sagt.“ Er halte es mit Karl Valentin – gar nicht erst ignorieren.Hannes Hintermeier