Eine Beziehungsgeschichte zwischen Neugier und Bewunderung

Eingereicht von der DJG Dresden.

Zur Feier der 160-jährigen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan hat Dr. Lydia Icke-Schwalbe (ehemalige Präsidentin der DJG Dresden) einen historischen Abriss über die außergewöhnlichen  bilateralen Beziehungen zwischen Sachsen und Japan im folgenden Beitrag verfasst. Die sächsischen Beziehungen reichen weit bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie zeigen einen vielfältigen Austausch in Handel und Forschung. Noch heute sind zahlreiche Verbindungen erhalten.

Inhalt:

  1. Diplomatische Beziehungen – Vor der Meiji-Zeit
  2. Diplomatische Beziehungen – Während der Meiji-Zeit
  3. Sächsische Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft
  4. Verbindungen zu Bergakademie Freiberg und TH Dresden (heutige TU Dresden)
  5. Deutsch-japanische Beziehungen vom 20. Jahrhundert bis heute
  6. Ausstellungen über Kunst und Kultur in Dresden
  7. Austausch zwischen Dresden und Japan – Zu Besuch in Sendai
  8. Gegenwärtige Aktivitäten der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Dresden

Als die regionale Arbeitsgruppe der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Dresden gegründet wurde, gab es keinen Neubeginn von bilateralen Beziehungen, sondern vielmehr ein Aufdecken des vielfältigen Austauschs zwischen Sachsen und dem fernen Land im Osten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Beamte aus dem Königreich Sachsen dienten als kaiserlich-deutsche Diplomaten am Hofe der neuen Meiji-Regierung, die 1867/68 das neue kaiserliche Japan begründete. Zahlreiche Berichte und Zeugnisse der Kultur, Wirtschaft und Lebensweise Ostasiens gelangten nach Rückkehr der „ausgeliehenen“ Beamten in die Sammlungen des sächsischen Hofes. Bis in die Gegenwart helfen diese Zeugnisse, die in den Königlichen, heute Staatlichen Museen zu Dresden bewahrt werden, der Geschichte, Kultur und Philosophie Japans nachzuspüren und sie zu verstehen.

Diplomatische Beziehungen – Vor der Meiji-Zeit

Ein aus Sachsen stammender Fotograf und Zeichner gehörte bereits zur amerikanischen Expedition unter dem Kommando von Matthew Perry, die letztlich seit 1854 die Öffnung des seit 200 Jahren verschlossenen Landes und japanischer Häfen für fremde (amerikanische) Schiffe erzwang.

Am 24. Januar 1861 unterzeichnete Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg, preußischer Diplomat und Politiker, in Yokohama den Vertrag über Handelsbeziehungen und Stapelrechte im japanischen Hafen. Konsul Carl Friedrich Pieschel, aus Weinböhla bei Dresden stammend, von der Sächsischen Regierung in preußische Dienste überstellt, wird 1861 der erste deutsche Diplomat in Yokohama und Yeddo (dem heutigen Tokyo). Er war bereits an koreanischen und chinesischen Höfen tätig.

Wilhelm Heine aus Radebeul bei Dresden war Maler und ein Mitglied des Preußischen Geschwaders zur Erkundung von Handel und Märkten in Ostasien, das unter Führung von Graf von Eulenburg 1859 aufgebrochen war. Ein Jahr darauf, 1860, wurde in Leipzig Heines „Japan und seine Bewohner: Geschichtliche Rückblicke und Ethnographische Schilderung von Land und Leute“ verlegt. Rückblickend schilderte er die ersten Versuche der Engländer und Amerikaner zwischen 1837 und 1854, an japanischen Küsten anzulanden sowie „die lokalen Bewegungen einer deutschen Gesandtschaft unter jenen Völkern“ (Heine 1860).

Diplomatische Beziehungen – Während der Meiji-Zeit

Japanische Pavillon in Dresden 1911
Blick in den Kaiserlich Japanischen Pavillon in Dresden, 1911

1874-1877 residierte Konsul Eduard Zappe, sächsischer Diplomat im Dienste des Deutschen Kaiserreichs, in Yokohama. Im Sächsischen Ministerium des Innern dokumentieren mehrere Schreiben seine Bemühungen um spezielle wirtschaftliche Beziehungen zwischen Sachsen und Japan. Auf Bitten sächsischer Industrieller an Konsul Zappe in Yokohama sandte dieser bereits 1873 und 1875 Zusammenstellungen japanischer Industrieprodukte, inkl. Lack und Cloisonnee. Er berichtete über die Besonderheit der Papierherstellung in Japan und sandte Proben nach Sachsen, dabei war eine vollständige Kollektion japanischer Fächer, Laternen, Regen- und Sonnenschirme. Die Beschreibung der Sammlung von Zappe umfasst Puppen, Fächer, Rohseiden, „ornamentierte Bronze- und Kupferplatten“ (gestanzte Textilfärbe-Schablonen) für das Kunstgewerbemuseum und für das ethnographische Kabinett (Schreiben vom 24. Mai 1876 an Ministerium des Innern (v. Friesen) weitergeleitet an die Generaldirektion der Kgl. Sammlungen für Kunst und Wissenschaft.)

Bei der 1. Deutschen Hygiene-Ausstellung in Dresden, die 1911 mit internationaler Beteiligung präsentiert wurde, sandte die Kaiserlich Japanische Regierung einen eigenen Pavillon mit Zeugnissen der modernen Lebensführung aus japanischer Produktion.

1887-1888 arbeitete der Kaiserliche Rat Müller-Beeck im Auftrag des deutschen Lloyd in Yokohama. Er intensiviert die Handelsbeziehungen sowie den informativen Austausch mit dem Königlich Sächsischen Ministerium des Innern.

Freiherr Mumm von Schwarzenstein, ein sächsischer Diplomat in preußischen Diensten, wird erster deutscher Botschafter in Japan. Seine Amtszeit war von 1909 bis 1911.

erster deutscher Botschafter in Japan
Kaiserlich deutscher Botschafter in Japan Dr. Freiherr Alfons Mumm von Schwarzenstein und Botschafter a. D. von Holleben (sitzend), 1910
Maruki Riyō, Public domain, via Wikimedia Commons

Sächsische Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft

Die rasant betriebene Modernisierung unter dem jungen Meiji-Tenno führte zahlreiche Studenten in die fortgeschrittenen und spezifischen Bildungseinrichtungen Sachsens. Nachdem der Stand der alten Samurai-Adelsgeschlechter seine Privilegien aberkannt bekommen hatte, mussten und konnten neue Lebensbereiche in Bergbau, Industrie und Technik, in Medizin und Militär erschlossen werden. Seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts sind japanische Studenten in den Immatrikulationslisten der sächsischen akademischen Institute nachweisbar. Ihre Gastgeschenke – heute in den Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen, Museum für Völkerkunde Dresden gepflegt und bewahrt – zeugen von der Wertschätzung des japanischen Volkes gegenüber seiner eigenen Geschichte und Kultur, vor allem belegen sie die hohe ästhetische Kunstfertigkeit. Für die Menschen in Sachsen bildeten sie wertvolles Anschauungsmaterial aus dem unbekannten, aber seit langem bewunderten Land, dessen Schätze bereits August der Starke einkaufen ließ.

Verbindungen zu Bergakademie Freiberg und TH Dresden (heutige TU Dresden)

Bereits um 1900 absolvierten Japaner ihre höhere Ausbildung an der Bergakademie in Freiberg, am Forstbotanischen Institut in Tharandt, an der Militärakademie und Medizinischen Akademie sowie der Technischen Hochschule in Dresden. Unter den Studenten in Tharandt und Dresden befanden sich Herren aus alten Feudalgeschlechtern, wie Derer von Ito und Nabeshima.

Graf Naotada Nabeshima studierte von 1911-1914 Forstwirtschaften am Forstbotanischen Institut in Tharandt, heute Hochschule und Teil der TU Dresden. Er lebte und wohnte dort privat und hinterließ eindrückliche Spuren in Tagebuchform und Briefen an seine Gastgeber. Sein Sohn Naotsuge Nabeshima war ausgebildeter Porzellan-Ingenieur, als er aus Kyushu kommend an die TH in Dresden kam, um hier Verfahrenstechniken zu studieren und zu promovieren. Als Spezialist für Keramik und Porzellan bewirkte er den späteren Partnerschaftsvertrag zwischen Arita und Meißen. Dessen Sohn, ein direkter Enkel von Graf Naotada Nabeshima, kam ebenfalls kurzzeitig als postgradualer Student nach Dresden. Als Vermächtnis des Großvaters übergab er 1987 wertvolle Geschenke aus dem nachgelassenen Familienbesitz an die TH Dresden bzw. das Land Sachsen und krönte somit die 3 Generationen überdauernden Beziehungen Japans zu Sachsen.

Deutsch-japanische Beziehungen vom 20. Jahrhundert bis heute

Die Deutsch-Japanische Gesellschaft Dresden setzt die hoch geschätzten Verbindungen zwischen Japan und Sachsen aus dem 20. Jahrhundert fort. Seit den 90er Jahren wählen Wirtschaftsverbände und Politiker wiederholt Dresden für deutsch-japanische Vereinbarungen. Hier war das Japanische Palais bzw. das mit japanischer Unterstützung aufgebaute benachbarte Hotel ein gern gewählter Aufenthaltsort für die japanischen Vertreter. Bereits zuvor fanden im Maritim Hotel Bellevue sowie dem damals noch größtenteils kriegsbeschädigten Japanischen Palais wiederholt Ausstellungen zu Kunst und Kultur Japans statt.

Ausstellungen über Kunst und Kultur in Dresden

Mit der kleinen Ausstellung „Schätze Japans aus Dresdner Museen“ (1983) begann der damalige Ostasien-Bereichsleiter Dr. Bräutigam, Schätze Ostasiens in Sachsen vorzustellen. Ein kleiner Katalog zur Ausstellung gilt als eine erste Bestandsaufnahme. Es folgten eine Reihe spezifischer Ausstellungen, z.B. „Japan im Spiegel seiner Kultur“, „Zwischen Mädchenfest und Knabenfest“, „Farbholzschnitte: Bilder einer bewegten Welt.“, die Einblicke in das soziale Brauchtum, die Erziehung und Bildung Japans sowie den Sadô (Weg des Tees) und Bushidô (Weg des Samurai) gaben. Dazu gab es jeweils nur kleine Leaflets, jedoch keine Begleitpublikationen bzw. Kataloge. Neben den Ausstellungen wurden Workshops oder Vorführungen angeboten, wie beispielsweise Ikebana-Schau in 1993 und 1994.

Die Erarbeitung der Konzepte und Darstellungen erfolgte in guter kollegialer Zusammenarbeit mit Kollegen des Ethnographischen Museums in Osaka, mit dem Edo-Tokyo-Museum in Tokyo und dem Nationalmuseum in Kyoto. Dank freundschaftlicher und fachspezifischer Studienmöglichkeiten und Gespräche konnten Experten des Dresdner Museums für Völkerkunde tiefe Einblicke in die spezifische Kultur, die ausgefeilte Kreativität und disziplinierte Lebensweise der traditionsbewussten japanischen Kunsthandwerker vor Ort erhalten. Intensive Studien zur Lack- und Papierherstellung, ihrer Bearbeitung und Bewahrung wurden uns im Forschungsinstitut in Kyoto ermöglicht. Im Austausch kamen die japanischen Fachwissenschaftler nach Dresden und Leipzig.

Stereoskop Nabeshima
Stereoskop aus dem Besitz von Nabeshima,  Schwarzlack mit Goldeinlagen (MfV Dresden, Foto: E. Winkler)
japanische Spiegeldose, Nabeshima
Spiegeldose, kagami bako, Goldstreulack mit Gold-Mon von Nabeshima (MfV Dresden, Foto: E. Winkler)

Ausstellung „Uchiwa und Ogi – die Sprache des japanischen Fächers“

Im Jahr 2000 folgt die Ausstellung „Uchiwa und Ogi – die Sprache des japanischen Fächers“. Sie basierte auf einer Kollektion japanischer Blatt- und Faltfächer, die der aus Weinböhla stammende deutsche Konsul Zappe 1876 in Edo-Tokyo zusammengestellt hatte, um das Sächsische Innenministerium an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Japan zu interessieren.

Ausstellung und Workshop über das Nihonga und die japanische Seidenmalerei

Der Künstler Takehiko Iikawa kam mit seiner speziell entwickelten Seidenmalerei nach Dresden. 2007 konnte im Japanischen Palais eine umfangreiche Ausstellung von Bildern, Faltschirmen sowie technischen Utensilien eindrucksvoll präsentiert werden.

Der Bürgermeister von Marumori, Herr Masami Watanabe, schrieb zur Ausstellungseröffnung:

Mit großer Freude habe ich von Ihrer Absicht Kenntnis genommen, im Staatlichen Museum für Völkerkunde Dresden eine Sonderausstellung über ‚Nihonga – traditionelle japanische Seidenmalerei‘ durchzuführen. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Entschluss.[…] Wir freuen uns auf diese Ausstellung, und ich wünsche mir, dass die Ausstellung nicht nur Japan mit Deutschland, Sachsen und Dresden, sondern auch Sie mit Marumori verbinden wird.“

In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste fanden eine Reihe von Vorträgen und Seminaren statt. Dabei konnten vor allem die verschiedenartigen Auffassungen von Kunst und künstlerischem Handwerk sowie deren individuelle und gesellschaftliche Wertung erkannt und diskutiert werden.

In 2009 bot sich interessierten Dresdner Kunststudenten und Lehrern die Möglichkeit, unter anwesenden des Künstlers Iikawa, die Technik der Seidenmalerei nachzuvollziehen.

Es war eine besonders intensive Zeit deutsch-japanischer Begegnungen in künstlerischen Reflexionen und fruchtbarem Gedankenaustausch, wobei das „kulturelle Erbe zweier Völker“ eine zentrale Bedeutung im wechselseitigen Verständnis einnahm, wie Ruprecht Vondran vom Verband Deutsch-Japanischer Gesellschaften, analysierte.

Austausch zwischen Dresden und Japan – Zu Besuch in Sendai

Seit 2002 entwickelte sich ein verstärkter Gedanken- und Ideenaustausch mit der japanisch-deutschen Arbeitsgruppe in Sendai und der Stadt Matsushima. Im November 2010 reiste eine Gruppe der DJG Dresden nach Japan mit dem Ziel, am Auftakt zu einer „Dresden Woche in Sendai“ teilzunehmen, die anlässlich von 150 Jahren Freundschaft zwischen Deutschland und Japan ausgerichtet worden war. Ein überwältigender Empfang wurde in Matsushima vorbereitet und zeigte, dass Dresden viel für die Freunde in der Präfektur Miyagi bedeutete.

Die Naturkatastrophe im folgenden März 2011 erzwang eine Unterbrechung der euphorischen Entwicklung. Die gewaltigen Zerstörungen in der Region Miyagi erforderten neue Orientierung kraftvollen Aufbau in Natur und Gesellschaft. Die tiefergehenden Verbindungen sind dennoch erhalten geblieben. Dresdner Vorstandsmitglieder organisierten ein Benefiz-Konzert im Piano-Salon Dresden zugunsten der vom Tsunami Betroffenen in Tohoku. Der Erlös wurde persönlich überbracht.

Gegenwärtige Aktivitäten der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Dresden

Nur einige der auffälligsten Aktivitäten der Dresdner Gruppe der DJG konnten hier benannt werden. Die Vereinsarbeit vollzieht sich meist unspektakulär vor Ort in geplanten persönlichen Zusammenkünften, den jährlichen Feiern, „Stammtisch-Terminen“ mit japanischen Speisen und Getränken sowie individuellem Gedanken- und Ereignis-Austausch. Jeder ist nach eigenen Möglichkeiten willkommen, zum Gespräch, zum Besuch organisierter Veranstaltungen, wie Konzerte, Vorträge, Ausstellungen.

Sachsen, speziell Dresden hat eine große bilaterale Tradition zu Japan und noch viele neu zu entdeckende Schätze. Daran haben wir, die Deutsch-Japanische Gesellschaft Dresden mit großem Respekt und immer besserem Verständnis weiter zu arbeiten.

Kontakt: info@djg-dresden.de
Website: www.djg-dresden.de
Facebook: https://de-de.facebook.com/djgdresden/





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